Lexikon

Schuldscheindarlehen

Was ist ein Schuldschein?

Ein Schuldscheindarlehen (Kurzform Schuldschein oder SSD) ist als eine spezielle Form des bilateralen Darlehensvertrags gemäß §§ 488 ff. BGB anzusehen. Im Gegensatz zu einer Anleihe, welche ein Wertpapier gemäß § 2 Abs. 1 WpHG ist, werden Schuldscheine nicht verkauft. Eine Weiterveräußerung ist einzig durch Abtretung der Forderung oder Vertragsübernahme möglich. Für die Emittierung eines Schuldscheindarlehens bedarf es keiner Börsenzulassung, da ein SSD nur außerbörslich („over-the-counter“) gehandelt wird. Der Schuldschein selbst dient als Beweisurkunde für das Bestehen der Forderung des Gläubigers gegenüber einem Schuldner.1

Unterschiede zwischen Schuldscheinen und Krediten

Quelle: Lenk, Kapitalmarktfinanzierung für Kommunen, 2015

Aufnahme eines Schuldscheins

Die Aufnahme eines Schuldscheins kann auf zwei verschiedenen Arten erfolgen. Die erste Möglichkeit besteht in einer breiten Platzierung des Schuldscheins. Hierbei übernimmt eine Bank oder ein Finanzmakler die Rolle eines Vermittlers („Arrangeur“). Zu Beginn legt der Emittent mit dem Arrangeur die Höhe des Schuldscheindarlehens, die Stückelung, die Bedingungen der Preisfeststellung sowie die Vermarktungszeit fest. Der Arrangeur nimmt dann im Nachgang Kontakt zu potenziellen Investoren auf. Äußern diese Interesse an einem Anteil, wird ihre Kaufabsicht in ein Orderbuch aufgenommen. Nach dem Ende der Vermarktungszeit erfolgt die Preisfeststellung sowie die Zuteilung der Volumina an die Investoren.

Bei der zweiten Möglichkeit erfolgt keine Ansprache einer großen Investorenbasis. Bei der sogenannten Privatplatzierung werden ausgewählte Investoren angesprochen. Es gibt kein Orderbuch und keine festgelegte Vermarktungszeit. Üblicherweise wird dieses Verfahren bei ungewöhnlichen Laufzeiten, besonderen Tilgungsstrukturen oder kleineren bis mittleren Volumina genutzt. Die Aufnahme eines privat platzierten Schuldscheins ist auch ohne eine Bank oder einen Finanzmakler als Arrangeur möglich – dieses Vorgehen ist in der Praxis derzeit allerdings eher ungewöhnlich, da der Verwaltungsaufwand selbst bei kleinen Emissionen verhältnismäßig hoch ist.2

Wie differenzieren sich Namensschuldverschreibungen und platzierte Schuldscheine?

Namensschuldverschreibungen sind privatplatzierte Anleihen, bei der jeder Besitzer der Urkunde namentlich genannt wird. Die Übertragbarkeit ist aus diesem Grund eingeschränkt. Sie eignen sich wie Schuldscheindarlehen nicht für den Börsenhandel. Im Gegensatz zu SSD stellen sie keinen Darlehensvertrag dar, sondern ein Wertpapier. Dadurch unterscheidet sich der zu Grunde liegende rechtliche Rahmen. So sind insbesondere die Anforderungen an die Dokumentation bei Namensschuldverschreibungen größer.3

Übersicht über den kommunalen Schuldscheinmarkt

Das Schuldscheindarlehen übernimmt seit mehreren Jahrzehnten eine tragende Rolle bei der Unternehmensfinanzierung. Bedingt durch verschärfte regulatorische Vorgaben stieg die Nachfrage im kommunalen Bereich nach alternativen Finanzierungsinstrumenten in den letzten Jahren an, sodass der Schuldschein sich auch in diesem Marktsegment einer steigenden Beliebtheit erfreut hat.4

Aktuell sind Schuldscheine aufgrund des hohen erforderlichen Kreditvolumens mehrheitlich bei größeren Städten im Einsatz. Laut KfW Kommunalpanel tragen sie bei jeder vierten Stadt mit mehr als 50.000 Einwohnern zur Finanzierung von Investitionen bei. Auf alle Kommunen bezogen werden Schuldscheine von etwa 1% der Kommunen als Finanzierungsinstrument genutzt. Das am häufigsten genutzte Finanzierungsinstrument ist weiterhin der Kommunalkredit.5 In den vergangenen Jahren haben mehrere größere Städte wie München (400 Mio. EUR), Offenbach (190 Mio. EUR) oder Dortmund (120 Mio. EUR) Schuldscheine aufgenommen.6 Eine Vorreiterfunktion beim Thema Schuldscheine nimmt die Stadt Salzgitter ein, welche inzwischen 40% der Investitionskredite sowie 20% der Liquiditätskredite durch Schuldscheine finanziert.7

Wer sind die Abnehmer für Schuldscheine?

Neben den klassischen kommunalen Investoren wie Banken ist der Schuldschein vorwiegend für Versicherungen und Vermögensverwalter interessant. Letztgenannte verfügen durch ihr Geschäftsmodell über eine hohe Liquidität und stehen vor allem seit der Niedrigzinsphase unter besonderem Druck, rentable und gleichzeitig sichere Anlageformen zu finden. Das kommunale Schuldscheindarlehen erfüllt die Anforderungen durch die langfristige Laufzeit mit einer festen Verzinsung bei geringer Ausfallwahrscheinlichkeit. Versicherungen sind durch regulatorische Vorgaben verpflichtet, ein Rating bei der Kommune durchzuführen. Hierbei erfolgt die Bewertung durch Betrachtung der Gesamtverschuldung, der Bevölkerungsentwicklung und Arbeitsplatzentwicklung der Kommune sowie des Ratings des jeweiligen Bundeslandes.8

Vor- und Nachteile kommunaler Schuldscheine

Quelle: Ekkenga/ Schröder. Handbuch der AG-Finanzierung, 1179, 2014

Ausblick

Der kommunale Schuldscheinmarkt ist im Vergleich zu dem der Unternehmen klein. Dennoch ist ein Wachstum des Marktes durch beispielsweise gemeinsame Platzierungen, wie es die Städte Kiel, Lübeck, Flensburg und Neumünster erwägt haben, möglich.9 Auch die bisher vollkommen unklaren Auswirkungen von Basel IV, welches voraussichtlich ab 2022 schrittweise eingeführt wird, können die Bedeutung von Schuldscheinen im kommunalen Schuldenmanagement maßgeblich beeinflussen.

Die Sichtweise auf das Schuldscheindarlehen wird in den Kommunen differenziert gesehen. Bei Befragungen geben diese zwar an, dass sie erwarten, dass das Schuldscheindarlehen an Bedeutung gewinnt, allerdings erst bei einer längerfristigen Zukunftsbetrachtung. Grund für diesen Anstieg können vor allem digitale Plattformen sein, die derzeit schrittweise für einen digitalen Wandel in den Kämmereien sorgen und verkrustete Strukturen aufbrechen. So besteht die Chance, die analogen und intransparenten Prozesse zu digitalisieren und somit für eine Effizienzsteigerung zu sorgen.10

Quellen und Studien:
1 Schuldschein, jura-basic (http://www.jura-basic.de/aufruf.php?file=2&art=6&find=Erf%FCllung__Schuldschein, abgerufen am: 16.08.2022).
2 Benne, Kommunale Schuldscheindarlehen, in: Zeitschrift für Kommunalfinanzen, 1, 2018.
3 Loan Market Association, Schuldscheindarlehen – LMA Leitfaden, 2016.
4 Nolte, Schuldscheindarlehen: Entdeckung eines traditionellen Finanzinstruments für die Kommunalfinanzierung, in: ZfgK, 12, 2014.
5 KfW Research, KfW-Kommunalpanel 2022 (https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-KfW-Kommunalpanel/KfW-Kommunalpanel-2022.pdf, abgerufen am: 16.08.2022).
6 Schuldschein, Kreditaufnahme von Kommunen und kommunalen Unternehmen gegen Schuldschein, in: KommunalWiki (https://kommunalwiki.boell.de/index.php/Schuldschein, abgerufen am: 16.08.2022).
7 Stadt Salzgitter, Stadt Salzgitter gibt wieder neue Schuldscheine aus (http://www.hallowochenende.de/nachrichten-und-aktuelles-aus-salzgitter/stadt-salzgitter-gibt-wieder-neue-schuldscheine-aus/, abgerufen am: 16.08.2022).
8 Graffen, Markt im Aufwind, in: DNK, 1, 2019.
9 Benne, Kommunale Schuldscheindarlehen, in: Zeitschrift für Kommunalfinanzen, 1, 2018.
10 KfW Research, KfW-Kommunalpanel 2019 (https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-KfW-Kommunalpanel/KfW-Kommunalpanel-2019.pdf, abgerufen am 21.08.2019).

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