Lexikon
Schuldscheindarlehen
Inhaltsverzeichnis
- Was ist ein Schuldschein?
- Unterschiede zwischen Schuldscheinen und Krediten
- Aufnahme eines Schuldscheins
- Wie differenzieren sich Namensschuldverschreibungen und platzierte Schuldscheine?
- Übersicht über den kommunalen Schuldscheinmarkt
- Wer sind die Abnehmer für Schuldscheine?
- Vor- und Nachteile kommunaler Schuldscheine
- Ausblick
Was ist ein Schuldschein?
Ein Schuldscheindarlehen (Kurzform Schuldschein oder SSD) ist als eine spezielle Form des bilateralen Darlehensvertrags gemäß §§ 488 ff. BGB anzusehen. Im Gegensatz zu einer Anleihe, welche ein Wertpapier gemäß § 2 Abs. 1 WpHG ist, werden Schuldscheine nicht verkauft. Eine Weiterveräußerung ist einzig durch Abtretung der Forderung oder Vertragsübernahme möglich. Für die Emittierung eines Schuldscheindarlehens bedarf es keiner Börsenzulassung, da ein SSD nur außerbörslich („over-the-counter“) gehandelt wird. Der Schuldschein selbst dient als Beweisurkunde für das Bestehen der Forderung des Gläubigers gegenüber einem Schuldner.1
Unterschiede zwischen Schuldscheinen und Krediten

Quelle: Lenk, Kapitalmarktfinanzierung für Kommunen, 2015
Quelle: Lenk, Kapitalmarktfinanzierung für Kommunen, 2015
Aufnahme eines Schuldscheins
Die Aufnahme eines Schuldscheins kann auf zwei verschiedenen Arten erfolgen. Die erste Möglichkeit besteht in einer breiten Platzierung des Schuldscheins. Hierbei übernimmt eine Bank oder ein Finanzmakler die Rolle eines Vermittlers („Arrangeur“). Zu Beginn legt der Emittent mit dem Arrangeur die Höhe des Schuldscheindarlehens, die Stückelung, die Bedingungen der Preisfeststellung sowie die Vermarktungszeit fest. Der Arrangeur nimmt dann im Nachgang Kontakt zu potenziellen Investoren auf. Äußern diese Interesse an einem Anteil, wird ihre Kaufabsicht in ein Orderbuch aufgenommen. Nach dem Ende der Vermarktungszeit erfolgt die Preisfeststellung sowie die Zuteilung der Volumina an die Investoren.
Bei der zweiten Möglichkeit erfolgt keine Ansprache einer großen Investorenbasis. Bei der sogenannten Privatplatzierung werden ausgewählte Investoren angesprochen. Es gibt kein Orderbuch und keine festgelegte Vermarktungszeit. Üblicherweise wird dieses Verfahren bei ungewöhnlichen Laufzeiten, besonderen Tilgungsstrukturen oder kleineren bis mittleren Volumina genutzt. Die Aufnahme eines privat platzierten Schuldscheins ist auch ohne eine Bank oder einen Finanzmakler als Arrangeur möglich – dieses Vorgehen ist in der Praxis derzeit allerdings eher ungewöhnlich, da der Verwaltungsaufwand selbst bei kleinen Emissionen verhältnismäßig hoch ist.2
Wie differenzieren sich Namensschuldverschreibungen und platzierte Schuldscheine?
Namensschuldverschreibungen sind privatplatzierte Anleihen, bei der jeder Besitzer der Urkunde namentlich genannt wird. Die Übertragbarkeit ist aus diesem Grund eingeschränkt. Sie eignen sich wie Schuldscheindarlehen nicht für den Börsenhandel. Im Gegensatz zu SSD stellen sie keinen Darlehensvertrag dar, sondern ein Wertpapier. Dadurch unterscheidet sich der zu Grunde liegende rechtliche Rahmen. So sind insbesondere die Anforderungen an die Dokumentation bei Namensschuldverschreibungen größer.3
Übersicht über den kommunalen Schuldscheinmarkt
Das Schuldscheindarlehen übernimmt seit mehreren Jahrzehnten eine tragende Rolle bei der Unternehmensfinanzierung. Bedingt durch verschärfte regulatorische Vorgaben stieg die Nachfrage im kommunalen Bereich nach alternativen Finanzierungsinstrumenten in den letzten Jahren an, sodass der Schuldschein sich auch in diesem Marktsegment einer steigenden Beliebtheit erfreut hat.4
Aktuell sind Schuldscheine aufgrund des hohen erforderlichen Kreditvolumens mehrheitlich nur bei Großstädten im Einsatz. Dort tragen sie bis zu durchschnittlich 5% zur Finanzierung von Investitionen bei.5 Auf alle Kommunen bezogen werden Schuldscheine von etwa 11% der Kommunen als Finanzierungsinstrument genutzt. Das am häufigsten genutzte Finanzierungsinstrument ist mit 93,9% auch weiterhin der Kommunalkredit. Laut einer Befragung der Universität Leipzig möchten 25,8% der Kommunen Schuldscheine in Zukunft verstärkt nutzen.6 In den vergangenen Jahren haben mehrere größere Städte wie Offenbach oder Dortmund Schuldscheine bis zu einem Volumen von 140 Mio. EUR aufgenommen.7 Eine Vorreiterfunktion beim Thema Schuldscheine nimmt die Stadt Salzgitter ein, welche inzwischen 40% der Investitionskredite sowie 20% der Liquiditätskredite durch Schuldscheine finanziert.8 Kurzfristig betrachtet, gehen allerdings 85% der Kommunen von einer gleichbleibenden Bedeutung aus.9

Abbildung: Eigene Darstellung, Quelle: Lenk, Kapitalmarktfinanzierung für Kommunen, 2015
Abbildung: Eigene Darstellung, Quelle: Lenk, Kapitalmarktfinanzierung für Kommunen, 2015
Wer sind die Abnehmer für Schuldscheine?
Neben den klassischen kommunalen Investoren wie Banken ist der Schuldschein vorwiegend für Versicherungen und Vermögensverwalter interessant. Letztgenannte verfügen durch ihr Geschäftsmodell über eine hohe Liquidität und stehen vor allem seit der Niedrigzinsphase unter besonderem Druck, rentable und gleichzeitig sichere Anlageformen zu finden. Das kommunale Schuldscheindarlehen erfüllt die Anforderungen durch die langfristige Laufzeit mit einer festen Verzinsung bei geringer Ausfallwahrscheinlichkeit. Versicherungen sind durch regulatorische Vorgaben verpflichtet, ein Rating bei der Kommune durchzuführen. Hierbei erfolgt die Bewertung durch Betrachtung der Gesamtverschuldung, der Bevölkerungsentwicklung und Arbeitsplatzentwicklung der Kommune sowie des Ratings des jeweiligen Bundeslandes.10
Vor- und Nachteile kommunaler Schuldscheine

Quelle: Ekkenga/ Schröder. Handbuch der AG-Finanzierung, 1179, 2014
Quelle: Ekkenga/ Schröder. Handbuch der AG-Finanzierung, 1179, 2014
Ausblick
Der kommunale Schuldscheinmarkt ist im Vergleich zu dem der Unternehmen klein. Dennoch ist ein Wachstum des Marktes durch beispielsweise gemeinsame Platzierungen, wie es die Städte Kiel, Lübeck, Flensburg und Neumünster erwägt haben, möglich.11 Auch die bisher vollkommen unklaren Auswirkungen von Basel IV, welches voraussichtlich ab 2022 schrittweise eingeführt wird, können die Bedeutung von Schuldscheinen im kommunalen Schuldenmanagement maßgeblich beeinflussen.
Die Sichtweise auf das Schuldscheindarlehen wird in den Kommunen differenziert gesehen. Bei Befragungen geben diese zwar an, dass sie erwarten, dass das Schuldscheindarlehen an Bedeutung gewinnt, allerdings erst bei einer längerfristigen Zukunftsbetrachtung. Grund für diesen Anstieg können vor allem digitale Plattformen sein, die derzeit schrittweise für einen digitalen Wandel in den Kämmereien sorgen und verkrustete Strukturen aufbrechen. So besteht die Chance, die analogen und intransparenten Prozesse zu digitalisieren und somit für eine Effizienzsteigerung zu sorgen.12
Quellen und Studien:
1 Witt, Das deutsche Schuldscheindarlehen, 2016 (https://www.nordlb.de/fileadmin/redaktion/analysen_prognosen/oeffentliche_emittenten/2016/20160318_SSDSpecialFinal.pdf, abgerufen am: 21.08.2019).
2 Benne, Kommunale Schuldscheindarlehen, in: Zeitschrift für Kommunalfinanzen, 1, 2018.
3 Loan Market Association, Schuldscheindarlehen – LMA Leitfaden, 2016.
4 Nolte, Schuldscheindarlehen: Entdeckung eines traditionellen Finanzinstruments für die Kommunalfinanzierung, in: ZfgK, 12, 2014.
5 KfW Research, KfW-Kommunalpanel 2019, (https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-KfW-Kommunalpanel/KfW-Kommunalpanel-2019.pdf, abgerufen am 21.08.2019).
6 Lenk, Kapitalmarktfinanzierung für Kommunen, 14, 2015.
7 Schmidt, Offenbach platziert 140 Millionen Euro schweren Schuldschein, in: Der neue Kämmerer, 2014 (https://www.derneuekaemmerer.de/nachrichten/finanzmanagement/offenbach-platziert-140-millionen-euroschweren-schuldschein-21031/, abgerufen am: 21.08.2019).
8 Stadt Salzgitter, Stadt platziert Schuldscheindarlehen, (http://m.salzgitter.de/rathaus/presse_news/archiv/2014/126010100000076560.php, abgerufen am: 21.08.2019).
9 KfW Research, KfW-Kommunalpanel 2019 (https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-KfW-Kommunalpanel/KfW-Kommunalpanel-2019.pdf, abgerufen am 21.08.2019).
10 Graffen, Markt im Aufwind, in: DNK, 1, 2019.
11 Benne, Kommunale Schuldscheindarlehen, in: Zeitschrift für Kommunalfinanzen, 1, 2018.
12 KfW Research, KfW-Kommunalpanel 2019 (https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-KfW-Kommunalpanel/KfW-Kommunalpanel-2019.pdf, abgerufen am 21.08.2019).
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